über die Vergänglichkeit des Seins

Am Dienstag saß ich bei meiner Freundin beim Frühstück, als mich eine unbekannte Mobilnummer anrief. Ich hob ab und erkannte die Stimme meiner Cousine. Sie war unbekannt, weil sie mich das letzte Mal angerufen hatte, als ich noch das alte Handy hatte - und ich sie im neuen eben noch nicht gespeichert hatte.



Jetzt hatten wir zwar beim Begräbnis meiner Mutter ausgemacht gehabt, dass wir sie mal im Sommer besuchen kommen - meine Tochter und ich - aber irgendwie hats nicht gepasst. Und nein, wir haben jetzt nicht das überdrüber innige Verhältnis - aber es ist auch nix negatives daran und dabei.

Aber mir war klar, irgendwer ist gestorben - und ich dachte an meine Tante - ihre Mutter, die nur minimal jünger war als meine. Und dann sagte sie - "nein, nicht die Mama - mein Bruder." Ich gestehe, das war dann irgendwie ein echter Schock, weil er nur minimal älter war als ich.

Wobei es dann noch mega komisch für mich war, weil mein Bruder war auch mit 61 gestorben - und das hatte mich weit weniger betroffen. Auch zu ihm hatte ich jetzt nicht das innige Verhältnis, aber doch ein innigeres als zu meinem Cousin.

Vielleicht war es aber auch, weil bei meinem Bruder war ich dabei, als es begann, ihm schlecht zu gehen - besuchte ich ihn öfter im Spital - wir konnten noch einmal so etwas wie eine Beziehung aufbauen.

Doch, als seine Tochter damals anrief und sagte - "Papa ist tot" - wars auch heftig - weil er wurde nach Hochegg verlegt - und diesen Transport überlebte er nicht mehr lange. Ich wollte ihn am Nachmittg besuchen fahren und rechnete damit, dass sie mir sagte, was ich mitnehmen solle - und dann das.

Und jetzt eben auch - ich wusste nicht, dass mein Cousin schon länger krank war - das letzte Mal sah ich ihn beim Begräbnis meiner Mutter - oder dem seines Vaters - ich weiß jetzt gar nicht so genau - auf jeden Fall war es bei einem Begräbnis.

Diesmal nehm ichs mir noch mehr vor, im Sommer mal meine Verwandschaft besuchen zu fahren - ich mag sie endlich alle mal zu einem schönen Anlass wieder sehen. Aber jetzt zuerst Mal wieder ein Begräbnis.

Irgendwie scheint es mir, dass ich so ne Art Begräbnistrauma habe - und ich weiß auch, warum. Aufgefallen wars mir, weil, als ich am Dienstag heim kam, legte ich mich nieder, weil ich schon 2 Nächte davor wenig geschlafen hatte (Voll/Blutmond) und als ich aufwachte, hatte ich erhöhte Temperatur.

Das konnte ich mir nicht wirklich erklären, weil ich hatte nichts Anstrengendes gemacht - eigentlich war ich nur frühstücken bei meiner Freundin. Naja, ich hatte nichts gemacht - aber durch das Mittagsschläfchen danach hat meine Seele möglicherweise einiges von dem wieder ausgegraben, was damals passierte.
Damals - 1971 - als mein Bruder vom Präsenzdienst heimkommen wollte, um den Geburtstag meines Vaters zu feiern. Und wo dann die Polizei vor der Tür stand, um meine Eltern abzuholen, weil mein Bruder einen tödlichen Verkehrsunfall vor der Kaserne hatte.

Und wo dann wahrscheinlich noch viel mehr passierte, was ich gottseidank nachhaltig verdrängt habe. Aber eins ist noch immer sehr präsent - oder grad mal wieder - das 13jährige Mädchen, welches bei dem darauf folgenden Militärbegräbnis in der ersten Reihe stand.

Das Kind, welches ihren angebeteten grossen Bruder auf so tragische Weise verlor - die Militärkapelle, die - "Ich hatte einen Kameraden" - spielte - etwas, worauf ich - auch heute noch - wie ein pawlowscher Reflex - von gleich auf jetzt zu heulen beginne - egal, wann und wo ich es höre.

Ich hatte damals meine Gefühle mit ihm beerdigt - und ich habe niemandem mehr so nah an mich heran gelassen - in all den Jahren nicht mehr - und es sind mittlerweile an die 50 Jahre, in denen ich  nach etwas such(t)e, was ich nie mehr haben werde.

Es war mir bisher nicht so bewusst - ich fand im Laufe der Jahre zahlreiche Erklärungen für Einiges in meinem Leben, was nicht so war, wie ich es gerne gehabt hätte. Aber eigentlich war es eh offensichtlich - ich war auf der Suche nach dem Teil von mir der mit ihm ging.

Lieber Michi,

du fehlst mir so sehr. Als du gingst, starb ein Teil von mir. Aber ich verspreche dir, ich werde den Rest meiner Tage geniessen - auch dir zur Ehre und zum Andenken. 

Ich habe in all den Jahren nicht nach einem Vaterersatz gesucht - ich hatte nach etwas gesucht, was mir die Leere füllen hätte können, welche dein Tod damals gerissen hatte. Es ist klar, dass dies niemand konnte - du warst einmalig - und du wirst es immer sein.

Schau freundlich auf mich, wenn ich jetzt mein Leben lebe. Wir sehen uns dann in ein paar Jahren wieder - aber erst, wenn ich noch Einiges nachgeholt habe, was ich mir in den letzten Jahren verwehrt hatte.

Danke

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