Verantwortung für jemand Anderen übernehmen

Im Zuge der Diskussion um das Fremdschämen kamen auch die Fragen - für wen übernimmst Du Verantwortung? Hast Du dich als Kind auch schon für einen Elternteil oder beide verantwortlich gefühlt? Wen möchtest Du schützen? - und auf die möchte ich hier und heute etwas näher eingehen.

Ich hatte ja schon mehrfach erwähnt, dass mir die Erinnerung an meine Kindheit fehlen - naja, so bis ca. 15 Jahre - ich schob es früher immer auf den Tod meines Bruders, dass ich da was verdrängt haben könnte - mittlerweile bin ich ziemlich sicher, dass es einen anderen Grund gibt - doch der spielt hier jetzt keine Rolle.

In zahlreichen Familienaufstellungen, NLP-Prozessen und schamanischen Ritualen - und auch einer Rückführung - kamen immer wieder einzelne Situationen / Momente hoch aus meiner Kindheit - und ich habe ein generelles Gefühl dazu - also weniger Bilder - aber grad bei solchen Fragen kommt dann schon eine Antwort in mir hoch.

Für wen übernimmst du Verantwortung?

Für Menschen, die mir wichtig sind - solange sie mir wichtig sind.

Irgendwann hatte ich einen Beitrag geschrieben, dass ich mich manchmal wie eine Glucke empfinde, die sich um ihre Wuserl kümmert - wenn sie dann aber flügge werden - ist dieses - mich um sie kümmern wollen - auch wieder vorbei.

Bei manchen Menschen kann es auch so weit gehen, dass der ursprüngliche fürsorgliche BeschützerInstinkt in absolutes DesInteresse über geht - vor allem, wenn sie auf meinen Werten mit Füssen herum trampeln ;-)

Hast Du dich als Kind auch schon für einen Elternteil oder beide verantwortlich gefühlt?

Ja - allerdings nicht freiwillig. Meine Eltern hatten gegen Ende 1965 einen schweren Verkehrsunfall, bei dem meine Mutter schwerste Verletzungen erlitten hatte - und lange Zeit im Koma und auf der IntensivStation lag.

Mein Vater war ja Bergsteiger und Kameramann - und der Unfall passierte auf der Heimfahrt, nachdem er seine Sachen zum Verschiffen für eine Expetition nach Wien gebracht hatte. Alles war bezahlt - und er nahm daran teil - obwohl meine Mutter zu dem Zeitpunkt noch nicht über dem Berg war.

Sie ging dann auch - auf Revers - früher heim - weil sie sich ja um die Kinder kümmern musste - tatsächlich war ab dem Zeitpunkt nichts mehr so, wie es früher war - so viel ich mich erinnere, gab es damals zwar noch meine Großmutter, die sich um den Haushalt kümmerte - aber ich selbst durfte noch weniger als früher.

Ich musste immer auf den Gesundheitszustand meiner Mutter Rücksicht nehmen - ich war damals 7 - und ab diesem Zeitpunkt war es vorbei mit "Kind sein". Meinem Vater scherte es wenig - er lebte sein Leben - und für meine Mutter war er sowieso schon immer ihr Held, den sie vergötterte.

Bezüglich verantwortlich fühlen - ich nehme an, das war damals die Zeit, wo ich begann, mich für Alles und Jeden verantwortlich zu fühlen - dass es meiner Mutter gut geht - dass sich mein Bruder nicht von mir belästigt fühlt - und ab und zu holte ich mir ein paar Steicheleinheiten meines Vaters.

Also, wenn er dann mal zu Hause war - und ich nicht starb bei der nächsten Verabschiedung, wenn er monatelang auf die nächste Expedition fuhr - und wir eigentlich nie wussten, ob er jemals wieder kommt - was ich weiß ist, dass mir jedes mal das Herz brach, wenn er weg ging.

Als dann 1971 auch noch der LieblingsSohn aus 1. Ehe meiner Mutter starb, war es sowieso vorbei mit "Familie" - sie igelte sich in ihrem Schmerz ein und ignorierte alles rund um sie - ausser ihren Mann - der stand natürlich weiterhin an erster Stelle.

Ab dem Zeitpunkt hatte ich dann niemanden mehr - der eine Bruder (11 Jahre älter als ich) war vor Jahren schon gegangen - nach einem Streit bei seiner Hochzeit - und meine Mutter hatte jahrzehntelang keinen Kontakt mit ihm - der andere (7 Jahre älter als ich) starb im 21. Lebensjahr.

Mein Vater fuhr monatelang auf Expeditionen - dazwischen war er tageweise unterwegs, um sich die Freiheit der Berge zu gönnen - wenn es ihm mal wieder zu eng wurde - seine Mutter starb auch bald nach dem unfall - sein Vater betütelte mich, was mir aber eher unangnehm war - also so mit 15 Jahren vom Opa zum Zug begleitet zu werden, damit ich mich nicht verirre - oder was auch immer.

Nein, nicht mit dem Auto zum Bahnhof gebracht werden - sondern er kam in der Früh mit dem Rad - lud meine Schultasche auf - und ging mit mir zum Bahnhof - was damals doch eine etwas weitere Strecke war - und viel Gelegenheit der anderen, sich über mich lustig zu machen - und ja, das war mega peinlich.

Wen möchtest Du schützen?

Ich würd sagen - mich - vor irgendwelchen ähnlichen peinlichen Momenten ;-)


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