Happy 100er

Ja - ich geh davon aus, dass du dort, wo du jetzt bist, wirklich glücklich bist - und sein kannst und darfst - und ja, ich würds dir gönnen - bestünde dann ja vielleicht auch die Hoffnung, dass ich mich auch irgendwann von dem ganzen Schrott erholen kann, den du in mein Leben gebracht hast ;-)

Ich weiß, die wenigsten Menschen glaub(t)en mir, weil du ja immer die Gute und Nette - und die Märtyrerin warst, die sich für deine Familie aufgeopfert hat. Lange Zeit hatte ich mich irgendwie "falsch" gefühlt, weil ich viele Dinge anders sah als du - aber ich konnte auch mit niemanden darüber reden, warum ich so ganz anders war.

Erst vor einigen Jahren kam dann die Begrifflichkeit von Narzissmus in mein Bewusstsein - und dann noch dazu "verdeckte NarzisstInnen" - und es fiel mir wie Schuppen von den Augen - möglicherweise war ich ja gar nicht so ganz anders - vielleicht war es ja genau das.

Das würde mir auch erklären, warum ich mich dann auch in meinen Beziehungen nicht wirklich ent.falten konnte - ganz im Gegenteil - warum ich weiterhin das von dir vorgelebte Muster nachmachte - mich weiterhin mit vielen deiner Überzeugungen abquälte - und sogar heute noch fallweise auf alte Glaubenssätze aufmerksam werde, die eigentlich nicht wirklich etwas mit mir zu tun haben.

Nein - es geht nicht so sehr um Schuldzuweisung - wobei es natürlich schon auch mit schwingt - mir geht es einfach nur mal wieder darum, weil grad durch deinen Geburtstag wieder mal alles hoch kommt - und ich nicht daran ersticken will - sondern mir die Freiheit gestatte, es einfach raus zu lassen.

Meine Tochter weiß großteils, wovon ich schreibe - meine Nichten werden es sowieso nicht glauben - und alle anderen Menschen können es so annehmen, wie es gemeint ist - als Status Quo - und vielleicht auch Anreiz für andere, die von ähnlichen Situationen betroffen sind.

Einige wissen es ja schon - mir fehlt - noch immer - die Erinnerung an die ersten ca. 15 Jahre meines Lebens. Also es gibt bruchstückhafte Erinnerungen - die in Trancen während meiner NLP Ausbildung - und in späteren CoachingSitzungen hoch kamen - aber ich habe keine durchgängige Erinnerung an die Zeit.

Möglicherweise war ich ein fröhliches Kind - ursprünglich - zumindest habe ich ein paar wenige Fotos gefunden, auf denen ich lache - und offensichtlich glücklich und unbeschwert war. Ich erinnere mich auch an ein paar Situationen - damals am Zicksee, als ich mit dem jüngeren meiner Brüder Ball spielte - obwohl es sehr schlammig war.

Und ich erinnere mich daran, dass ich immer die Suppe und die Nachspeise bekam, wenn mich mein Großvater abholte - von zu Hause oder vom Kindergarten - so genau weiß ichs nicht - und mich mitnahm in ein Gasthaus - also in unterschiedliche - zum MittagEssen. 

Die ganzen Campingausflüge sind weniger positiv besetzt, weils imme mit deinem gestressten Getue behaftet war - dies passte nicht - und jenes - und überhaupt - und die blöden Nachbarn im Wohnmobil inmitten der ganzen Zelte - bla bla bla

Die meisten meiner echten Erinnerungen sind eher schwer und traurig

  • jeder Abschied von meinem Vater, wenn er mal wieder monatelang auf Expedition ging, der Knopf im Bauch, weil ich am liebsten heuloen wollte, weil wir nicht wussten, ob er überhaupt zurück kommen würde
  • dass auf einmal der ältere meiner Stiefbrüder nicht mehr heim kam 
  • die Rodelpartie mit Opa, bei der ich über einen Hügel "sprang" und danach kurzfristig keine Luft bekam - dieses Gefühl begeleitete mich jahr(zehnt)elang
  • der Sturz im Karnitschgraben, nach dem ich mit Liegegips darnieder lag
  • oder auch der gebrochene Arm, als wir damals auf der Müllhalde spielten
  • aber auch, als du damals vom Spital heim kamst nach dem Autounfall, während mein Vater auf Reisen war
  • die Wochen danach, in denen ich mich eher wie in einem Gefängnis fühlte, verdammt dazu zu "funktionieren"
  • das Begräbnis des jüngeren meiner Brüder - das war für mich der absolute traumatische Horror  aber auch in der Situation war ich allein mit meiner Trauer

Rückblickend betrachtet war ich immer allein - weil mit den Einen durfte ich nicht reden - und mit den Anderen konnte ich es nicht - du hast mich sowieso nie verstanden, wenn ich nicht so funktioierte, wie du es grne gehabt hättest.

Alleine meine Einschulung hat mich jahrzehntelang belastet und eingeschränkt - ich war 5 - niemand fing mit 5 Jahren an - alle wurden ein Jahr später eingeschult - darum war ich immer die Jügste in allen Klassen.

Wobei das war nicht das Tragischste - woran ich mich noch ganz genau erinnere - mit allen Sinnen - war die Tatsache, dass sogar unser Hausarzt dagegen war - und die Auflage raus gab, dass ich 20 kg haben müsse, damit er das ok gibt - ich schaffte es nicht, mich hoch zu fressen - und durfte trotzdem gehen.

Und immer die Drohung, wenn ich nicht zunehme, dann komme ich in irgend eine Einrichtung, wo sie mich endlich hochpäppeln - also so Sommerfrische bei den Verwandten in Holland - die ich nicht kannte - und vor denen ich mich fürchtete - also nicht vor ihnen, sondern, weg zu müssen.

Naja, jetzt bin ich fett genug - ich hoffe, das gefällt dir jetzt endlich 

Dazu passt dann auch noch die eine Szene im Spital, wo dieser Horror dann wahr wurde, weil ihr einfach gingt, ohne euch um zu drehen - als sie mich in Quarantäne einsperrten wegen Scharlach - ja, klar, heutzutage sehe ich das differenzierter - aber damals wars einfach nur traumatisch - die jahrelangen Drohungen waren auf einmal real.

Und wenn wir dann auch gleich noch das Thema vom alleingborenen Zwilling - oder sogar Drilling - hoch holen, dann wirds auch klarer, warum es mich mehr betraf als jedes andere "normale" Kind - mich hatten zu diesem Zeitpunkt schon zwei andere geliebte Wesen verlassen.

Der erste direkt bei der letztendlich mißglückten Abtreibung - weil du eben nur eins von uns dreien erwischt hast - und der zweite dann vor der Geburt - und auf einmal machte es auch Sinn, dass mein Vater immer sagte, er habe kein weiteres Kind mehr gewollt, weil die Nachgeburt war fast wie ein zweites Kind - naja, wars ja auch.

Doch - da waren auch jene glücklichen Momente, die selten etwas mit dir zu tun hatten - wenn mein Vater wieder zurück kam - braun gebrannt, ausgehungert - meist mit Vollbart - das war immer so wie ne Wiedergeburt - ich kann dieses Gefühl nicht wirklich beschreiben, es war so wie das Licht am Ende des Tunnels - der Hoffnungsschimmer, dass doch noch alles irgendwie gut werden könnte.

Wobei es das nicht konnte - weil die beiden, die zu mir gehörten - nie wieder kommen würden - und konnten - und auf meiner jahrzehntelangen Suchen nach diesen "missing links" habe ich mir eben auch immer wieder Partner gesucht, die mich letztendlich ent.täuschten und verlassen haben - wobei - stimmt nicht - die 3 Scheidungen gingen letztendlich von mir aus - weil ich nicht mehr konnte - von dir konnte ich mich ja nicht scheiden lassen.

Mit dir allein zu Hause war nicht wirklich lustig - schon gar nicht nach eurem Unfall - ja, klar, du warst schwer verletzt - nur, ich konnte nicht wirklich was dafür - und trotzdem musste ich es ausbaden. Michi war schon alt genug, dass er dir und deinen Launen - und dem "alles mies machen, was mir eventuell gefallen hätte - entkam - naja, letztlich dann für immer.

Und die Schuldgefühle, die du mir nach seinem Tod eingeredet hast, haben mich auch fast 4 Jahrzehnte lang "klein" gehalten. Ich war damals 13 - ich konnte nicht unterscheiden zwischen deinen echten Überzeugungen und so dahin gesagten Floskeln - für mich waren das Fakten, dass du mir die Schuld gibst an seinem Tod - nachdem du es immer wieder behauptet hattest.

Das Alles habe ich 50 Jahre lang mit mir herum geschleppt - das mit dem alleingeborenen Drilling sogar noch viel länger - und dann auch noch die Aussage der Astrologin, die sich mein KarmaHoroskop anschaute und einte, zwischen 6. und 8. Lebensjahr - und zwischen 13. und 15. Lebensjahr gab es einen sexuellen Mißbrauch durch meinen Vater.

Wobei ich das entscheiden von mir gewiesen habe - das war und ist etwas Undenkbares für mich - obwohl die Anzeichen eher dafür sprachen - alle Kinderkrankheiten in der 1. Klasse - ein halbes Jahr gefehlt - heutzutage wird da sofort auf Mißbrauch untersucht - und dann das Blackout ab 15 - hab ich doch offensichtlich etwas ganz nachhaltig verdrängt.

Dann das Grauen, was mich befahl, jedes Mal, wenn meine Tochter den Schnuller ausspuckte -  ich konnte den nicht einfach ablecken - und ihr wieder geben - ich musste ihn waschen gehen. 

Und ich konnte mich beim Sex nie wirklich fallen lassen - bei keinem meiner Ehemänner - also beim ersten tat ichs ab und zu - und war danach wieder tagelang unpässlich - etwas sträubte sich mit aller Macht in mir.

Jahre später wollte ichs genau wissen - und ich kam drauf, dass ich mich nur dann "problemlos" fallen lassen konnte, wenn ich keine Wahl hatte - wenn ich wehrlos und ausgeliefert war - wenn ich gegen meinen Willen genommen wurde - was jetzt ja auch überaupt nicht auf Mißbrauch hinweist ;-)

Irgendwann machte es dann "KLICK" - was, wenn mein Vater gar nicht mein leiblicher Vater war? 

Wenn dich jemand anderer beglückt hatte - mit uns - was dann auch erklären würde, warum du mich/uns abtreiben wolltest - was ansonsten unlogisch wäre, weil mein Vater ja immer einen eigenen Sohn wollte - und du zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen konntest, dass ich nur ein Mädchen werden würde?

Ich erinnere ich noch gut an deine Worte - dass es da jemanden gab, der mehrmals wiederholte, dass du dich nicht so anstellen solltest, weils ja eh in der Familie blieb - und über den du mir dann, als ich schon erwachsen war - mehrmals erzähltest, dass dir so graute, wenn er sein bestes Stück aus den Shorts hängen ließ.

Achja - und meiner Tochter wolltest du einreden, dass mein damaliger Mann sicher irgenwelche Absichten haben würde, wenn sie zu uns zog. Ja - klar - kann schon sein, dass auch du vergewaltigt und mißbraucht wurdest - aber ich war damals ein kleines Kind, welches sich nicht wehren konnte - weder nach eurem Unfall - noch, nachdem der jüngere deiner Söhne gestorben war.

Nein, ich unterstelle dir nicht, dass ich deinen Platz einnehmen musste, weil du nicht verfügbar warst - aber ich würde es auch nicht so generell und grundsätzlich ausschließen - nicht so sicher wie damals, als ich es tat, als die Astrologin meinte, dass mich mein Vater mißbraucht haben könnte.

Heute gehe ich davon aus, dass mein Vater möglicherweise gar nicht mein leiblicher Vater war - dass er auch nicht vom Mißbrauch an mir etwas wusste, weil er ja immer wieder mal monatelang unterwegs war - aber du sehr wohl hättest eingreifen können.

Ich hab das fast 60 Jahre meines Lebens in mich rein gefressen - und mit mir herum geschleppt - und erst, als die Puzzleteile sich in einander fügten, wurde es etwas leichter - und dadurch, dass ich es aufschreibe, kann ich nochmal etwas von dieser Schwere los werden.

Ursprünglich wollte ich (m)eine Biographie schreiben - aber ich möchte auch niemanden zumuten, dass alles in so konzentrieter Form auch noch ausführlicher lesen zu müssen.

Was für mich auch eine sehr große Erleichterung war, war damals die eine Familienaufstellung - als es mir mal wieder echt mies ging - und ich den Aufstellungsleiter bat, mich zusätzlich mit rein zu nehmen als Klientin.

Er fragte mich mehrmals, ob ich das wirklich wolle - schließlich wisse ich doch, was auf mich zukommen würde - und ich hatte es schon sooo lange vor mir her geschoben, mich mit dir aus zu söhnen - dir zu vergeben - und es würde sicher nicht leicht werden.

Ich war die letzte Klientin - und er stellte mich von Beginn an gleich selbst rein - mir gegenüber deine  Repräsentantin - und ich stand da - und mir gings sch...e wie immer, wenn ich in deiner Nähe war - und mein Gegenüber stand emotionslos - wie du in all den Jahrzehnten.

Irgendwann bat sie, ausgetauscht zu werden, weil sie das nicht aushalten würde - als Repräsentantin empfand sie nichts - aber als sie selbst wollte sie mich in den Arm nehmen und fest halten - und mir ihre Liebe geben - aber sie konnte es nicht - sie war in dieser Rolle eingefroren.

Ich heulte zwar weiter, aber ich sagte ihr auch, dass das ok sei - ich kante es nicht anders - und da schaute mich der Aufstellungsleiter an und fragte "Wie hast du das überlebt?" - und er nahm sofort deine Repräsentantin zur Seite - und holte alle anwesenden Frauen in die Aufstellung - als alle meine weiblichen Ahninnen.

Er stellte eine Repräsentatnin für die Oma, die ich kannte, die in den ersten Jahren meines Lebens für mich da war - hinter mich - und alle anderen wie eine Pyramide hinter sie - und die hinteren mussten die jeweils vorderen stützen - also immer 2 Frauen stützten eine vor ihnen - und meine Oma stütze mich, nachdem ich mich umgedreht hatte, um in meine Zukunft zu schauen.

Und ich konnte mich nach fast 60 Jahren endlich irgendwo anlehnen - fallen lassen - was ich nicht tat, weil es da diese Stütze der Ahninnen gab - sie hielten mich - ich wurde durchflutet von liebevollen stärkenden Emotionen - an die ich mich seither immer wieder gerne erinnere - sie geben mir Kraft, weiter zu machen.

Bild von Bruno auf Pixabay

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